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15 Februar 2022

„Für mich war sofort klar, dass ich weitertanzen würde!“

Martin Stubenrauch wuchs in einer deutschen Kleinstadt auf und wollte schon als Kind tanzen. Doch zu einer Zeit, als Jungen eigentlich nur Fußball spielten, hatte seine Umwelt hierfür nur wenig Verständnis. Während er nach seinem Studium in einem Architekturbüro in München arbeitet, wird er durch eine Kollegin auf das Studio Hasting aufmerksam. Er beginnt, Modern-Dance-Unterricht zu nehmen, und schnell wird das Tanzen ein fester Bestandteil seines Lebens. Auch als Martin Jahre später an Parkinson erkrankt, tanzt er weiter.

PARKINSON-PATIENT MARTIN STUBENRAUCH: „ICH GING ZUM ARZT UND ERHIELT ZWEI WOCHEN SPÄTER DIE DIAGNOSE PARKINSON.“

Mit 42 Jahren die Diagnose Parkinson

Martin war 42, als er im Fitnessstudio bemerkte, dass beim Training mit Gewichten seine linke Hand zitterte. „Ich ging zum Arzt und erhielt zwei Wochen später die Diagnose Parkinson“,
erzählt er. „Damals habe ich mit vier oder fünf verschiedenen Neurologen gesprochen, die alle zu demselben Ergebnis kamen. Eine Neurologin in der Uniklinik Tübingen ging sogar so weit zu sagen: „Wenn Sie mit 42 die Diagnose Parkinson bekommen, sitzen Sie wahrscheinlich mit 60 im Rollstuhl!“ Das ist nun 17 Jahre her. Natürlich war die Diagnose ein großer Schock, aber ich habe meine Krankheit nie verheimlicht und bin von Anfang an offen damit umgegangen.“

Positive Erfahrungen in der Parkinson-Tanzgruppe

Für Martin war sofort klar, dass er weiter in Bewegung bleiben wollte, und zu seiner Überraschung empfahlen ihm Neurologen die Teilnahme an einer speziellen Tanzklasse für Menschen mit

Martin Stubenrauch und Karen Bamonte


Parkinson. Er nahm das Angebot freudig an froh, wieder regelmäßig tanzen zu können. 2020 zwang die Corona-Pandemie Tanzstudios teilweise auf Online-Unterricht umzustellen. Dies gab Martin nach über 20 Jahren die Möglichkeit, wieder bei Christine Hasting Unterricht zu nehmen, die damals seine erste Tanzlehrerin gewesen war.

Die älteste Schule für künstlerischen Tanz Münchens – das „Hasting Zentrum für Tanz und Tanztheater“ unter Leitung von Christine Hasting und Rainer Wallbaum – bietet seit März 2021 eine wöchentliche Klasse für Parkinson-Erkrankte an, an der man sowohl im Studio als auch online teilnehmen kann. Christine Hasting, Tänzerin, Tanzpädagogin, Choreografin sowie systemische Therapeutin, nahm im Jahr 2020 an einer Online-Fortbildung vom Mark Morris Dance Center N.Y., „Tanz für Menschen mit Parkinson“, teil und ist seither professionelles Mitglied von „Dance for PD“, New York. Sie ist von der Wirkung des künstlerischen Tanzes auf Parkinson-Patienten beeindruckt: „In meinen Tanzklassen sehe ich ganz deutlich, dass der Tanz positive Auswirkungen auf die Teilnehmer und Teilnehmerinnen hat, zum Beispiel eine verbesserte Standfestigkeit und flüssigere Bewegungen. Der künstlerische Aspekt steht dabei im Vordergrund.“

„Meine Physiotherapeutin war verblüfft, wie beweglich und gelenkig ich damals mit 42 Jahren war.“ Martin Stubenrauch, Parkinson-Patient

Auch Martin stimmt zu: „Wir Parkinson-Patienten sind es gewohnt, dass Ärzte unsere Bewegungen überprüfen und uns dazu anhalten, jeden Tag Übungen zu absolvieren. Beim Tanzen dagegen geht es um Freude an der Bewegung, und der therapeutische Effekt kommt sozusagen als Geschenk dazu.“ Jeder kann mitmachen Christine erklärt weiter: „Künstlerischer Tanz spricht alle Ebenen der Person an, nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige und die psychische. Der Gestaltung von Bewegung wird freier Raum gelassen. Auch Teilnehmer und Teilehmerinnen, die bereits an Parkinson erkrankt sind, können aus diesen Erfahrungen viel Positives für sich selbst gewinnen.“

Daneben ist auch der soziale Aspekt enorm wichtig: „Da jeder von der Krankheit betroffen ist, braucht niemand Schamgefühl zu empfinden. Jeder genießt es, Gleichgesinnte zu treffen und sich auszutauschen. Unsere Gruppe ist sehr gemischt: Eine Teilnehmerin ist in den Fünfzigern und eine andere schon weit über 70. Manche leiden seit über 15 Jahren an Parkinson, und andere haben gerade erst die Diagnose erhalten. Die Arbeit macht mir unglaublich viel Spaß. Es kommt so viel an Freude und Dankbarkeit zurück, und nach jeder Unterrichtsstunde habe ich das Gefühl, dass ich reich beschenkt worden bin!“

Entwerfen und weitertanzen, solange es geht

Auch das Privatleben von Martin nahm durch den Tanzunterricht eine bedeutende Wende, denn hierdurch lernte er 1992 die amerikanische Tänzerin und Choreografin Karen Bamonte kennen. Vier Jahre später wurde sie seine Ehefrau und ist seitdem an seiner Seite. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in den USA zogen die beiden um in die Region Umbrien in Italien, wo Martin noch immer erfolgreich als Architekt arbeitet. „Ich arbeite noch so viel, dass es mir Spaß macht, aber versuche, keinen Stress mehr zu haben. Wenn ich einen Auftrag annehme, erzähle ich dem Kunden gleich im ersten Gespräch von meiner Parkinson-Erkrankung. Ich bin dankbar, dass ich den Freiraum habe, weiter zu entwerfen und den Teil meines Berufes auszuüben, der mir am meisten Spaß macht!“

Noch immer tanzt Martin regelmäßig. „Natürlich gibt es auch Momente, in denen mir die Haltung schwerfällt, aber in der Regel sind meine Bewegungen während des Tanzens viel flüssiger. Vor zwei oder drei Jahren habe ich auf einer Silvesterfeier viele Stunden lang ohne Unterbrechung getanzt, und die Gäste haben mit offenem Mund gestaunt!“ Daneben hält sich Martin mit Tai-Chi und Fast Walking (schnelles Gehen) in Form und nimmt mit seiner Frau Karen Unterricht in argentinischem Tango in einem Nachbarort. Kein besonderes Angebot für Parkinson-Erkrankte, sondern ein regulärer Tanzkurs. Typisch Martin, hat er den anderen Teilnehmern gleich in der ersten Stunde von seiner Krankheit erzählt: „Schließlich wollte ich nicht, dass meine Partnerin sich wundert, wenn sie von mir aus Versehen einen Klapps auf die Schulter bekommt! Nach der Stunde ist einer nach dem anderen zu mir gekommen und hat sich für die Offenheit bedankt.“

Martin hat auch für andere Parkinson-Erkrankte eine klare Botschaft: „Ich schäme mich nicht für meine Krankheit, sondern sie ist ein Teil von mir, und den mute ich meiner Umwelt auch zu. Ich kann nur jedem Betroffenen dazu raten, die Scham beiseitezuschieben und zu akzeptieren, dass wir mit Parkinson leben müssen, auch wenn wir es uns nicht ausgesucht haben. Sich mit Freude zu bewegen, gehört für mich unbedingt dazu!“ Möchten Sie andere auch gerne mit Ihrer persönlichen Geschichte inspirieren, oder kennen Sie jemanden, der Erfahrungen mit Parkinson hat? Auch wenn Sie Partner eines Parkinson-Erkrankten sind, können Sie anderen Betroffenen helfen, indem Sie über Ihre Erfahrungen berichten. Senden Sie eine E-Mail an info@parkinsonfonds.de, und wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung. Weitere Informationen über Dance for PD finden Sie hier: www.danceforparkinsons.org.

 

DANCE FOR PARKINSON

Dance for Parkinson wurde 2001 in Brooklyn/New York von Tänzerinnen und Tänzern der Mark Morris Dance Group gegründet und wird inzwischen in ca. 25 Ländern der ganzen Welt unterrichtet.

Weitere Informationen über Dance for PD finden Sie hier: www.danceforparkinsons.org. Für die Kurse sind keine Vorkenntnisse erforderlich – jede und jeder kann mitmachen, ganz nach den eigenen Möglichkeiten. Der Einstieg ist jederzeit möglich. Hasting Zentrum für Tanz und Tanztheater  – Tanz für Parkinson: montags 14.30 –15.30 Uhr (auch online) Dance für Parkinson gibt es vielleicht auch in Ihrer Nähe! Nützliche Adressen finden Sie auf www.danceforparkinsons.org, oder fragen Sie in Ihrer örtlichen Tanzschule.

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