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15 Dezember 2015

Ein Wintermärchen mal ganz anders erlebt

Ein Erfahrungsbericht des Parkinson-Patienten Bernhard Schaaf aus Frankfurt

Da saß ich nun im Frankfurter Opernhaus. Auf Rang eins, Mitte links, Reihe vier, Platz 15 und harrte der Dinge, die da kommen würden: ‚Das Mädchen mit den Schwefelhölzern‘ – eine moderne Operninszenierung von Helmut Lachenmann.
Mein ‚Musikguru‘ Christian R. hatte mir empfohlen, mich für moderne Musik zu interessieren. Alles was irgendwie Erleichterung im Umgang mit meinem Parkinson versprach, war mir willkommen. Parkinson hatte mir schon einige Türen aufgestoßen. Durch meine Mitgliedschaft bei ‚evanda‘ beispielsweise bekam ich Anregungen und Impulse für körperliche und geistige Aktivitäten, Kultur, Sport und Ernährung. Außerdem sehe ich als Betroffener nach der ärztlichen Diagnose ‚Parkinson‘ mein Heil darin, das Wort ‚unheilbar‘ aus meinem Wortschatz zu streichen.
Im Verlauf der Opernaufführung wunderte ich mich, dass einige Musiker verteilt auf den Rängen saßen und nicht ihre Instrumente spielten, sondern untermalt vom Orchester wunderliche Geräusche machten. Die musikalische Darbietung, so fremd sie mir auch war, zog mich langsam in ihren Bann. Offensichtlich hatte der Regisseur sogar die sparsame Handlung verändert. Statt einem kleinen Mädchen ein reifer Mann, statt Schwefelhölzer ein Meerschweinchen, das wahrscheinlich mehr Wärme abgibt als die Schwefelhölzer.

Ein altes Märchen wird erzählt in ‚nicht passenden‘ Bildern, mit aktuellem Schmackes und neuer Musik. Damit der Stoff nicht als romantischer Nebel wahrgenommen wird, der keine tief gehenden Gefühle zulässt, gab man dem Märchen ein neues Gesicht, das aufrüttelt.

Erstaunt war ich über meine positive Aufnahme und meine tiefe innere Anteilnahme am Ende dieser modernen Opernaufführung. Das Wintermärchen hatte bewirkt, dass der Schutzschild über meiner Seele ein bisschen gelüftet wurde. Es ist gelungen, den Geist des Märchens in eine Fassung zu bringen, die berührt, Mitgefühl erzeugt, Zuflucht bietet und Trost spendet.

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