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27 März 2014

Interview mit Prof. Dr. Daniela Berg

Erste Vorsitzende der Deutschen Parkinson Gesellschaft,

Leiterin der Parkinson Ambulanz des Universitätsklinikums Tübingen,
Forschungsgruppenleiterin am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) und am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Standort Tübingen,
Oberärztin an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen.
Frau Professorin Berg hat die vielversprechende TREND-Studie in die Wege geleitet, welche der ParkinsonFonds zu finanzieren hilft. Wir haben sie gebeten, in einem Interview diese Studie für Sie, unsere Spenderinnen und Spender, zu erklären.

Was ist der Hintergrund der Studie?

Wir wissen erst in den letzten Jahren zunehmend, dass die Parkinson-Krankheit eine Erkrankung ist, die nicht gleich damit anfängt, dass man zittert oder steif wird, sondern dass es sich hier um eine Erkrankung handelt, die viele Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, im Körper ist, bevor Steifheit, Zittern oder Verlangsamung auftreten. Es gibt dafür gewisse Vorzeichen. Wir wissen, dass Patienten mit gewissen Formen von Schlafstörungen, insbesondere des Traumschlafes (bei dieser Störung werden Träume sozusagen „ausgelebt“, d. h., der normalerweise in dieser Schlafphase schlaffe Muskeltonus ist nicht schlaff, sodass Menschen um sich schlagen und andere Bewegungen machen können), Patienten mit einer unerklärlichen Veränderung der Geruchswahrnehmung oder Patienten mit Depressionen, ein erhöhtes Risiko haben, an Parkinson zu erkranken.

Depressionen gehören zu den vielerlei Vorzeichen der Parkinson-Krankheit?

Ja, aber das heißt natürlich nicht, dass jeder, der Depressionen hat, später Parkinson bekommt. Doch man hat ein etwas erhöhtes Risiko. Die Frage ist, wer von den Menschen mit den genannten Symptomen, die Vorzeichen sein können, erkrankt letztendlich an Parkinson? Es ist deswegen so relevant, weil wir mit der Therapie heute sehr spät anfangen. Wir fangen dann an, wenn in manchen Bereichen, insbesondere in dem, der den für die Bewegung wichtigen Botenstoff Dopamin produziert, mehr als die Hälfte der Nervenzellen kaputt sind. Das ist natürlich sehr spät und bedeutet, dass man für den Nervenzellschutz nur noch wenig tun kann. Die Hälfte oder mehr als die Hälfte der Nerven ist kaputt, die anderen sind krank – wie soll man da schützend arbeiten? Man muss also vorher ansetzen.

Sie möchten einen Weg finden

bereits dann therapeutisch einzugreifen, wenn ein Risiko der Erkrankung besteht und schon erste Zeichen des Krankheitsprozesses erkennbar sind, aber die Mehrzahl der Nervenzellen noch intakt sind und geschützt werden können?

Ja. Die Frage ist also: Wie kann man diese Risikogruppe vorher erkennen? Hier helfen uns die zuvor erwähnten möglichen Auffälligkeiten. Wer von denjenigen mit diesen Auffälligkeiten bekommt schlussendlich Parkinson? Wir haben mit dieser Fragestellung eine große Studie initiiert, die TREND-Studie (Tübinger Erhebung von Risikofaktoren zur Erkennung von Neurodegeneration). Die Details finden Sie auf der Website www.trend-studie.de

Wer nimmt Teil an der TREND-Studie und wie ist deren Ablauf?

Es ist eine Studie mit 1.200 Menschen über 50 Jahre. Über 50, da dies das Alter ist, in dem Parkinson am häufigsten auftritt. Es nehmen Menschen, die eines oder mehrere dieser nicht-motorischen Vorzeichen aufweisen, sowie eine Kontrollgruppe ohne diese Symptome teil. Sie unterziehen sich im 2-Jahres-Rhythmus einer großen Untersuchungsbatterie. Es gibt Untersuchungen zur Geruchswahrnehmung, zur Stimmung, zu Konzentration und Gedächtnis, zu allen möglichen motorischen Auffälligkeiten, zu Augenveränderungen und Herz-Blutdruck-Veränderungen, auch ein Ultraschall der Halsgefäße und des Gehirns – also ganz viele Dinge, deren Veränderungen quantitativ erfasst, d. h. mit ganz genauen Zahlenwerten gemessen werden. So haben wir über die Zeit einen Vergleich und können sagen, welche Symptome sich verschlechtern.

Sie messen motorische und nicht-motorische Veränderungen von 1.200 Menschen über 2 Jahre. Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich von der Studie?

Da motorische Symptome wie Bewegungsverlangsamung und Zittern nicht von heute auf morgen auftreten, ist die Frage: Wie können wir diese Symptome im Frühstadium erfassen? Die Hoffnung ist, das wir durch unsere genauen Messungen einen Biomarker* erhalten, damit wir eine Veränderung im Körper wie eine Signatur sehen, die wir nachverfolgen und dann bestimmen können, ob jemand die Krankheit letztendlich entwickeln wird.

Können Sie Beispiele für die Messung von motorischen Symptomen im Frühstadium nennen?

Ich habe z. B. Musiker bei mir in der Ambulanz, die mich aufsuchen und sagen: „Wenn ich bei einem Konzert eine Kadenz auf der Violine spiele, dann geht das nicht mehr so wie früher.“ Das kann ich natürlich überhaupt nicht testen – nicht etwa, weil ich in der Ambulanz nicht gerne Geige höre – sondern, weil ich den Unterschied nicht hören und schon gar nicht nachvollziehen könnte. Nur der Betroffene merkt, dass seine Fingerbeweglichkeit nicht mehr so fein ist. Oder sehr sportliche Menschen, die beim Training merken, dass das Laufen nicht mehr so „rund ist“. Um feine motorische Veränderungen zu erfassen, gibt es quantitativ motorische Analysen, z. B. mit Accelerometern, kleinen Geräten, die man nicht invasiv am Körper, z. B. an einem Gürtel am Rücken, trägt. Diese messen beim Laufen genau die Schritte und erfassen dreidimensional im Raum, wie man geht, wie man aufsteht, wie man sich wendet. Das gleiche kann man mit der Feinmotorik machen und z. B. messen, wie schnell man die Finger gegeneinander bewegt, oder wie schnell man mit den Füßen auf den Boden tippt, was wir Tapping nennen. Das alles wird genau mit Zahlen numerisch und quantitativ erfasst.

Was ist das Ziel der Studie, die vom ParkinsonFonds gefördert wird?

Wir gehen davon aus – und dafür gibt es viele Hinweise – dass wir deswegen Parkinson so spät erkennen, weil unser Gehirn so großartig angelegt ist, dass es sehr lange Defizite kompensieren kann. Im Gehirn kann es zu größeren Ausfällen kommen und wir merken es nicht, weil andere Bereiche des Gehirns die Arbeit übernehmen. Was wir hoffen und glauben zu finden, sind einerseits die Areale im Gehirn, die durch die Erkrankung schon nicht mehr so gut arbeiten – ohne dass dies aber zu den die Erkrankung charakterisierenden motorischen Auffälligkeiten führt – und andererseits diese Kompensationsstrategien im Gehirn von Menschen, bei denen wir davon ausgehen, dass sie möglicherweise in einer sehr frühen Phase der Erkrankung sind. In dieser speziellen Sub-Studie der TREND-Studie, die durch die Unterstützung des ParkinsonFonds möglich ist, werden daher Teilnehmer der TREND-Studie untersucht, die mehrere Risikofaktoren für Parkinson haben und in der quantitativen motorischen Testung erste Auffälligkeiten zeigen. Diese Menschen erhalten eine Kernspinntomografie mit der Struktur und Funktion des Gehirns dargestellt werden können und eine nuklearmedizinische Untersuchung, ein DaTSCAN (Dopamin-Transporter-Scan), mit welchem das Dopaminsystem dargestellt wird (das Überträgerstoffsystem, das ja bei Parkinson betroffen ist). Die Fragen sind: a) was sind die Kompensationsstrategien im Gehirn, was passiert wirklich? und b) sieht man schon im Dopaminsystem bestimmte Auffälligkeiten?

Wie können Betroffenen vom Wissen um Kompensationsstrategien profitieren?

Es könnte uns wirklich hinsichtlich der Frühdiagnostik große Schritte weiter bringen, aber auch hinsichtlich des Verständnisses dafür, was eigentlich in dieser frühen Phase der Erkrankung, in der wir so wenig sehen, aber der Patient ja eigentlich schon betroffen ist, im Gehirn passiert. Wenn wir dies besser verstehen, können wir das wahrscheinlich nicht nur dafür nutzen, Patienten früher zu diagnostizieren, sondern Kompensationsstrategien auch therapeutisch einsetzen. *Biomarker sind charakteristische biologische Merkmale, die objektiv gemessen und evaluiert werden und auf einen normalen biologischen oder krankhaften Prozess im Körper hinweisen können.

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