„Man muss erst verstehen, was da passiert“
Warum die Demenz bei Parkinson lange unterschätzt wurde – und warum sie in Zukunft mehr ins Zentrum der Forschung rücken könnte. Ein Gespräch mit Prof. Richard Dodel, Neurologe und Demenzforscher an der Universität Duisburg-Essen.
Herr Prof. Dodel, viele denken bei Parkinson zuerst an das Zittern, an Bewegungsstörungen. Wie passt das Thema Demenz da hinein?
Antwort von Prof. Dodel:
Parkinson ist weit mehr als eine Bewegungsstörung.
Die motorischen Symptome sind nur ein Teil der Erkrankung. Daneben gibt es eine Vielzahl sogenannter nicht-motorischer Symptome – Schlafstörungen, psychotische Episoden, Verdauungsprobleme, und eben auch kognitive Beeinträchtigungen. Viele Betroffene entwickeln im Verlauf eine Demenz.
Studien zeigen: Wer über 15 oder 20 Jahre mit Parkinson lebt, hat ein hohes Risiko, im Verlauf auch an einer Demenz zu erkranken. Das macht sie zu einem zentralen Thema, auch wenn sie lange unter dem Radar geblieben ist.
Es gibt ja auch die sogenannte Lewy- Körper-Demenz. Wie unterscheidet diese sich von der Demenz im Spätstadium der Parkinson- Krankheit?
Antwort von Prof. Dodel:
Die Lewy-Körper-Demenz ist eng mit der Parkinson-Erkrankung verwandt. Beide Krankheiten haben eine gemeinsame pathologische Grundlage. In beiden Fällen findet man Ablagerungen des Eiweißes Alpha-Synuklein in den Nervenzellen, sogenannte Lewy-Körper.
Bei Parkinson sind diese meist zunächst auf bestimmte Hirnregionen begrenzt, bei der Lewy-Körper- Demenz breiten sie sich früher und flächiger aus – insbesondere in Areale, die für das Denken und die Wahrnehmung zuständig sind. Demenz tritt bei der Lewy-Körper-Demenz sehr früh auf, oft zeitgleich mit den ersten motorischen Symptomen oder oftmals sogar davor.
Wie viele Menschen sind in Deutschland betroffen?
Antwort von Prof. Dodel:
Etwa 250.000 Menschen leben hierzulande mit einer Parkinson-Erkrankung. Von ihnen entwickeln rund 40.000 bis 50.000 im Verlauf eine Demenz. Die Lewy-Körper-Demenz betrifft nach Schätzungen zwei bis fünf Prozent aller Demenzpatientinnen und -patienten.
Aber wir gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl höher liegt – es gibt eine erhebliche Dunkelziffer.
Woran liegt es, dass zur Lewy-Körper- Demenz wenig geforscht wird?
Antwort von Prof. Dodel:
Es fehlt an Grundlagenforschung – und auch an Unterstützung. Es gibt weniger Fördermittel, weniger junge Forschende als z. B. in den USA und die Krankheit kennt hierzulande kaum jemand. In den USA ist das anders – dort gibt es eigene Fonds, große Selbsthilfegruppen, mehr Bewusstsein.
Ich hoffe, dass auch in Deutschland mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema entsteht – wie zum Beispiel durch dieses Interview. Dann werden wir sicher weiterkommen.
Und trotzdem forschen Sie seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet. Was hat Sie motiviert?
Antwort von Prof. Dodel:
Schon Mitte der 90er-Jahre war mir klar: Mit den medikamentösen Therapien werden wir die motorischen Symptome bei der überwiegenden Anzahl der Patienten in den Griff bekommen. Doch wenn wir den Körper besser in den Griff bekommen, werden die nicht-motorischen Symptome in den Vordergrund rücken.
Gibt es inzwischen Ansätze?
Antwort von Prof. Dodel:
International sind inzwischen eine ganze Reihe von Studien auf den Weg gebracht worden. In einem Netzwerk bauen wir gerade ein Langzeitregister auf, mit dem wir Krankheitsverläufe systematisch beobachten wollen. Und natürlich arbeiten wir auch an Therapieansätzen.
Wir sind noch nicht am Ziel – aber wir wissen, in welche Richtung wir gehen müssen. Und jeder Fortschritt bringt uns diesem Ziel ein Stück näher.
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Über Prof. Richard Dodel
Wissenschaftler wie Prof. Dr. Richard Dodel erforschen, wie die Alzheimer-Demenz und Parkinson-Krankheit entstehen und welche Rolle dabei natürlich vorkommende Autoantikörper spielen.
Prof. Dodel hält die Professur für Geriatrie an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) am Universitätsklinikum Essen und ist Chefarzt am Geriatrie-Zentrum Haus Berge des UDE-Lehrkrankenhauses Elisabeth.