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13 April 2015

Interview-Fragen an Matthias Wittfoth

Dr. rer. nat. Diplom-Psychologe, Post-Doc an der Medizinischen Hochschule Hannover (Abteilung Klinische Psychologie und Sexualmedizin/ Neuroradiologie), Leiter der Forschungsplattform NICA (NeuroImaging and Clinical Applications), Forschungsschwerpunkte u.a. Exekutivfunktionsstörungen bei Parkinsonpatienten, Verarbeitung der Sprachmelodie im Gehirn und neurobiologische Grundlagen der Pädophilie.

Untersuchungsmethoden: funktionelles MRT, Voxel-basierte Morphometrie, Diffusions Tensor Imaging, EEG
Ein kleiner Steckbrief zu Ihrer Person (u.a. wichtige Meilensteine, die zu Ihrer Forschungsarbeit zur Parkinson-Krankheit geführt haben):
Nach dem Studium der Psychologie, Philosophie und Neurophysiologie an den Universitäten Bremen und Heidelberg folgte die Promotion am Neuropsychologischen Institut der Uni Bremen über das Thema „Kognitive Kontrolle: Untersuchungen mittels fMRT“. Seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Medizinischen Hochschule Hannover (Klinik für Neurologie). Erste Förderung durch den ParkinsonFonds Deutschland im Jahre 2009: Untersuchung der Exekutivfunktionen bei Parkinson. Psychotherapeutische Ausbildung in Hypnotherapie und PEP.

1. Was ist das Thema Ihrer aktuellen Forschungsstudie, die vom ParkinsonFonds Deutschland (mit)gefördert wird?

Ein wichtiger Teil der Forschung ist es, die Krankheit besser verstehen zu lernen. Dies setzt auf genetischer, molekularer und auf klinischer Ebene an. Ein anderer wichtiger Teil ist die Erforschung von Medikamenten, die sowohl auf symptomatischer Ebene Verbesserungen erzielen, als auch von Substanzen, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder aufhalten können.
Ich war hocherfreut, dass der ParkinsonFonds Deutschland sich bereit erklärte, eine jetzt ganz andere Art von Forschung zu unterstützen. In meiner Untersuchung geht es darum, wie Menschen, die die Diagnose „Parkinson“ erhalten, mit dieser Botschaft und mit den Prozessen und weiteren Behandlungen umgehen, die sich daraus ergeben. Dieser Ansatz entstand nicht zuletzt auch aus einer gewissen eigenen Frustration heraus. Mir hat es vor einigen Jahren nicht mehr gereicht, zu 100 % zu forschen. Ich wollte psychologische Methoden und Techniken erlernen, die vielen Personen unmittelbar nützlich sind. Ganz konkret heißt das:  Was unterstützt die Menschen dabei, mit ihrer Krankheit klarzukommen; ganz besonders mit den damit verbundenen Ängsten und Sorgen. Nicht selten machen sich die Erkrankten Selbstvorwürfe und fragen sich: „Warum hat es gerade mich getroffen?“ Bislang ist in unserem System kaum Platz und Gelegenheit, diese Dinge zu verarbeiten und oftmals reichen ein offenes Ohr und das mitfühlende Verständnis des Arztes nicht aus; wenn überhaupt dafür Zeit vorhanden ist.
Erstaunlicherweise gibt es zurzeit insbesondere in Deutschland eine neue Welle von Mentaltechniken, die abseits der Hochschulen immer mehr Anerkennung finden. Wenn sie Sportler oder Musiker fragen, werden sie feststellen, dass in diesen Kreisen, wo es fast immer primär darum geht, eigene Ängste zu kontrollieren, um Spitzenleistungen zu erbringen, diese Art von Techniken weit verbreitet sind und sich als sehr effizient erwiesen haben. Man findet im Internet schon viele Quellen, die Informationen zur sogenannten Prozess- und Embodimentfokussierten Psychologie (PEP) liefern. Hinter diesem Begriff verbergen sich Anwendungen, die sowohl den Körper als Bühne unserer Gefühle mit einbeziehen, indem bei sich selbst bestimmte Akkupunkturpunkte beklopft werden, als auch das Selbstwertgefühl von zentraler Bedeutung ist.

2. Warum finden Sie diese Thematik wichtig?

Wir wissen aus Studien, dass sich ein Großteil der Patienten zusätzlich alternativen Heilmethoden zuwendet. Es gibt also auf Seiten der Betroffenen und Angehörigen eine große Bereitschaft, als auch ein großes Bedürfnis, jenseits von etablierten Therapien, sich andere Methoden und Sichtweisen anzuschauen. Viele Erfahrungsberichte der Patienten zeigen, dass ebenfalls eine große Notwendigkeit darin besteht, in der Krankheitsbewältigung unterstützt zu werden. PEP hat hier in vielen Bereichen erstaunliches Potential gezeigt, wurde jedoch noch kaum systematisch untersucht.

3. Welche neuen Erkenntnisse versprechen Sie sich von Ihrer Studie?

Diese Studie soll zeigen, ob PEP den Patienten sowohl subjektiv hilft, ihre mit der Krankheit einhergehenden negativen Gefühle zu bewältigen, als auch objektiv nachweisbare Veränderungen der Gehirnaktivität während der Gefühlskontrolle zeigt.

4. Wie können die Ergebnisse dieser Studie Parkinson-Patienten konkret helfen?

Zunächst einmal bietet die Studie den Teilnehmern direkt die Möglichkeit, sich leicht erlernbare Techniken anzueignen. Das Hauptziel ist dabei die Erfahrung der Selbstwirksamkeit in Bezug auf Gefühle (wie z.B. Angst und Trauer) und in Bezug auf die positive, akzeptierende Einstellung zu sich selbst und Anderen – somit das Gegenteil von der Hilflosigkeit, die sonst häufig erlebt wird.
Im Weiteren werden die Erfahrungen der Studienteilnehmer für die Community der Parkinson-Betroffenen sicherlich interessant sein.
Somit ist dies eine wissenschaftliche Unternehmung, die sagt: „Liebe Patienten, wir haben hier eine ganz konkrete Technik für Euch, die nicht direkt Parkinson behandelt, die Euch aber unterstützen und stärken könnte.“
Meine Hoffnung ist natürlich auch, dass eine positive Selbstwirksamkeitserfahrung, nicht-motorischen Symptomen des Morbus Parkinson entgegenwirken könnte, insbesondere der Apathie und Demotiviertheit.

5. Wie wird die Studie umgesetzt (Probanden, Zeitschiene, Ablauf, Dokumentation, etc.)?

Es werden insgesamt 30 Patienten nicht lange nach Diagnosestellung im funktionellen MRT untersucht werden. Dabei werden im Scanner emotionale Bilder gezeigt und ihre Gehirnreaktionen auf diese Bilder ausgewertet. Danach erhalten diese Teilnehmer PEP. In einer späteren, zweiten MRT-Untersuchung, werden die neuen Aufnahmen der emotionalen Reaktivität dann mit der ersten Sitzung verglichen. Es ist geplant, mit den ersten Messungen im Spätfrühling dieses Jahres zu beginnen.
Zusätzlich wird eine eigene Webseite als Informationsportal eingerichtet werden. Solange diese noch nicht da ist, wird auf meiner persönlichen Homepage die Möglichkeit bestehen, mehr Informationen zu erhalten und sich auch auf einer E-Mail-Liste einzutragen, um aktuelle Nachrichten zu dieser Studie zu erhalten (www.matthiaswittfoth.de).

6. Inwiefern ist dieses Forschungsprojekt wichtig für die gesamte Parkinson-Forschung?

Diese Studie kann ein Beitrag dazu sein, die Untersuchungen der Wirkungen psychologischer Faktoren auf neurologische Krankheiten insgesamt zu bestärken.

7. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem ParkinsonFonds Deutschland?

Die Zusammenarbeit mit dem ParkinsonFonds Deutschland ist und war für mich geprägt durch ein besonderes direktes, ja sogar persönliches und nicht zuletzt ein angenehm unbürokratisches Verhältnis. Schon vor einigen Jahren habe ich eine Förderung erhalten. Bei dem vergangenen Projekt ging es um die Untersuchung der Defizite von Parkinsonpatienten bei der Konzentration auf eine Aufgabe, also letztendlich um eine Untersuchung wie das Denken der Patienten durch die Krankheit beeinflusst wird.

8. Wie würden Sie die Arbeit des ParkinsonFonds Deutschland beschreiben?

Der ParkinsonFonds Deutschland unterstützt maßgeblich eine gezielte, krankheitsspezifische Forschung in Deutschland, insbesondere durch die wirksame Förderung innovativer und vielversprechender Ansätze. Dabei hat der Fonds erkennbar die Perspektive und den Nutzen der Patienten in seinem Fokus.

9. Warum ist Forschung wichtig?

Ohne Forschung gibt es keinen überprüfbaren Fortschritt. Es gibt viele Behandler und Menschen, die mit Parkinson zu tun haben, die tolle Ideen haben und bewundernswert kreativ sind, wenn es darum geht Mittel und Wege zu finden, die Parkinson’sche Krankheit zu bessern – jedoch ohne systematische Studien werden wir nicht in der Lage sein, zu erkennen, welche Komponenten wirklich wirken und welche nur scheinbare Erfolge erzielen.

10. Ist die Forschung auf Spenden von solidarischen Menschen angewiesen? Warum?

In den USA ist es mittlerweile sehr verbreitet, Forschung von Teilen der Gesellschaft direkt zu fördern, die ein besonderes Verhältnis zum Forschungsthema haben. Das sind natürlich die Patienten selber, aber auch Angehörige oder indirekt Betroffene, die alle den starken Wunsch haben, dass diese Krankheit so bald es geht überwunden werden kann. Mit Hilfe von Crowdfundings werden in den Vereinigten Staaten maßgebliche Geldsummen für gezielte, krankheitsbezogene Forschung bereitgestellt.
Aus verschiedensten Gründen ist dies in Deutschland noch nicht sehr bekannt, wenn es auch an verschiedensten Stellen spezielle Stiftungen und Förderprogramme gibt. Der PakinsonFonds Deutschland zeigt dabei ganz deutlich, wie das besondere und legitime Eigeninteresse der Patienten wesentlich einen Einfluss auf den Umfang der Förderung der Parkinsonforschung nimmt und dabei ein berechtigtes Mitspracherecht wahrnimmt.

11. Möchten Sie Erkenntnisse und/oder Ratschläge mit Parkinson-Patienten und deren Angehörige teilen?

Ich glaube in der Tat, dass ein wesentlicher Aspekt für Parkinson-Patienten und deren Angehörige darin besteht, aktiv Informationen sammeln zu können und sich mit anderen auszutauschen. Forschung ist ungeheuer wichtig, wie sonst sollten Fortschritte bei der Behandlung von Parkinson erzielt werden können? Wir Forscher müssen aber aufpassen, Patienten nicht lediglich als Studienteilnehmer zu sehen, sondern so gut es geht darüber zu informieren, was gemacht wird und was dies bedeutet.

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