Spenden
16 Februar 2017

Singen mit Parkinson

Wer singt, behält für diesen Augenblick die Oberhand über Parkinson.

Neurowissenschaftler Robert Harris: ‚Probanden machten ausgezeichnete Musik, wenn sie improvisierten.‘

Parkinson greift das Sprachvermögen an. Aber dieses Problem verschwindet, sobald die Patienten anfangen zu singen. Laut Neurowissenschaftler Robert Harris können die Patienten mittels Gesangsformen wie Rap lernen, besser zu sprechen.

Dass Musik eine positive Wirkung auf die motorischen Fähigkeiten von Menschen mit Parkinson hat, war bereits bekannt. Die Hirnkrankheit kennzeichnet sich durch körperliche Probleme wie Zittern und mühsames Gehen.“Aber wenn ein Parkinson-Patient Musik mit einem starken Beat hört, dann verändert sich sein ganzes Bewegungsmuster“, erzählt Bewegungs- und Neurowissenschaftler Robert Harris. „Ich traf einen Mann, der mit Musik völlig anders gehen, tanzen und auf einem Bein stehen konnte. Normalerweise schlurft er durch den Raum. Das war wirklich unglaublich.“

Zu seiner Überraschung entdeckte Harris, dass die Wirkung von Gesang auf die Sprache bisher nicht untersucht wurde. Im Rahmen seiner Doktorarbeit nahm er den Gesang von fünfzehn Parkinson-Patienten auf, die noch relativ normale Funktionen hatten, aber deren Krankheitssymptome im Durchschnitt seit sieben Jahren sichtbar waren. Die Gesangsfragmente verglich er mit fünfzehn gesunden Gleichaltrigen. Harris, neben Forscher auch Hochschullehrer, promoviert heute an der Universität Groningen.

Ihre Erwartung war, dass für Gesang das Gleiche gilt als für Bewegung?

In der Tat war der Gedanke da, dass, wenn Musik eine starke Wirkung auf die Motorik hat, der Gesang auch so eine Wirkung erzielen könnte. Die Sprache von Parkinson-Betroffenen ist oft monoton, sodass man den Unterschied zwischen Frage und Antwort kaum hören kann. Sie haben also melodische Schwächen in ihrer Aussprache.

„Ich wollte nicht nur herausfinden, was passiert, wenn sie bekannte Melodien singen, sondern auch, wenn sie einfach improvisieren. Ich startete mit einem „lalala“ und ließ die Probanden darauf ihre eigenen Melodien improvisieren. Das war großartig, sie machten wirklich wunderschöne Musik. Wir konnten keinen Unterschied zwischen ihrem Gesang und dem Gesang von gesunden Probanden erkennen, obwohl dies bei ihrer Aussprache der Fall war.

Wie haben Sie das miteinander verglichen?

„Die Stimme ließen wir von Neurologen im Krankenhaus untersuchen, die Tonaufnahmen von Betroffenen als auch von gesunden Probanden anhörten. Sie hörten 13 von 15 Patienten heraus, nur aufgrund der Sprache und Stimme.

„Die Gesangsfragmente haben wir digitalisiert und mit dem Computer analysiert, unter anderem auf Tonhöhe, Reichweite und Tempo.“

Warum ist singen und tanzen für jemand mit Parkinson leichter als sprechen und bewegen?

„Menschen mit Parkinson haben einen Mangel an Dopamin im Gehirn, wodurch ihre Bewegungen verlangsamen und „einfrieren“, so auch beim Sprechen. Die Theorie ist, dass die Musik, die betroffenen Bereiche des Gehirns umgeht. “

Kann singen auch bei der Therapie von Parkinson-Patienten eingesetzt werden?

„Eine gute Frage. Ich bin kein Therapeut, aber denke schon, dass man Gesangsformen nutzen kann, die einem Sprechen ähneln, wie beispielsweise Rap. Die Grenze zwischen Singen und Sprechen ist unklarer, als wir denken. Ich erwarte, dass Patienten davon profitieren diese Grenze aufzusuchen und lernen, ihr Sprechen ein wenig als Singen zu verlagern.“

Sie betrachteten auch die Gehirne von klassischen Musikern, die improvisieren und nicht improvisieren konnten. Was war die wichtigste Erkenntnis daraus?

Dass improvisierende Musiker bereits beim Hören der Musik, diese im Gehirn in Bewegung umsetzen können. Alle Musiker lesen die Noten so, als ob die Hände bereits auf dem Klavier wären. Auf einem Scan ist dies ersichtlich, da ein Gebiet in der rechten Gehirnhälfte aktiv wird. Bei improvisierenden Musikern geschieht das bereits, wenn sie nur die Musik hören, ohne Noten zu lesen, bei nicht-improvisierenden Musikern ist dies nicht ersichtlich.

Sie fordern mehr Improvisation im Musikunterricht.

Ja, durchaus. Die klassische Musikkultur ist auf Lesen von Noten ausgerichtet, während man eine Menge von Improvisation lernen kann. Es ist wie das Lernen einer Sprache. Französisch lernt man viel schneller in Frankreich, wenn man direkt mit den Menschen spricht und nicht nur theoretisch aus einem Buch lernt. So ist es auch mit dem Improvisieren. Sobald Sie mit einem Instrument in Berührung kommen, ist es wichtig, dass man nicht nur den Instruktionen von Noten auf dem Papier folgt, sondern auch wirklich Musik macht.“

Wir konnten keinen Unterschied zwischen dem Gesang von Parkinson-Patienten und dem Gesang von gesunden Probanden erkennen, obwohl dies bei der Stimme der Fall war. Die Grenze zwischen Singen und Sprechen ist unklarer, als wir denken. Die klassische Musikkultur ist auf Lesen von Noten ausgerichtet, während man von Improvisation viel lernen kann.

Diesen Artikel teilen